Fortschreibung des Berichts zur sozialen Lage in Hanau

Jochen Dohn

Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin,
Sehr geehrte Damen und Herren,

Armut bzw. Armutsbekämpfung war und ist weiterhin eines der Themen schlecht hin und sie werden mir hoffentlich zustimmen, dass nicht nur Bund oder Land in der Verantwortung stehen, sondern auch die jeweilige Kommune. Deshalb sind Maßnahmen notwendig, die soziale Kluft zu verringern. Insbesondere in einer Zeit, in dem die Rechtsextremen die Verwerfungen ausnutzen, die Spaltung vorantreiben und ihren Hass gegen vermeintliche Sündenböcke, die nach ihrer Ansicht die Schuld tragen, ausleben. Dafür erhalten diese Kräfte auch noch Zulauf und es geht sogar so weit, dass mit ihnen Anträge verabschiedet werden, als seien sie schon Teil einer Regierung.

Aber – nur weil jemand demokratisch gewählt wurde, heißt es nicht, dass die Person auch demokratisch ist.

Meine Damen und Herren,
1998 wurde ein Armutsbericht für die Stadt Hanau mit wissenschaftlicher Begleitung der Fachhochschule Frankfurt vorgelegt. Schon damals gab es Handlungsempfehlungen in verschiedenen Feldern. Es hatte sich schon damals gezeigt, dass eine Fortschreibung mit neuen Daten und einer Evaluierung anhand von Kriterien der jeweiligen Maßnahmen sinnvoll ist. Die Nachfolge trat dann der Bericht zur sozialen Lage in Hanau an. Der von der Stadtverordnetenversammlung erst 2008 - also 10 Jahre später - beschlossen wurde.

Nun sind 15 Jahre vergangen. Mit mittlerweile über 100.000 Einwohner und kurz vor der Kreisfreiheit, sollte sich Hanau ist eine Fortschreibung nötig. Eigentlich ist es dringend nötig, sich einen weitreichenden Überblick über die soziale Lage in Hanau zu machen und erforderlichen Maßnahmen bewusst zu sein. Natürlich, wird tagtäglich gute Arbeit in der städtischen Verwaltung, Eigenbetriebe und Gesellschaften sowie bei den Freien Träger geleistet, deshalb wäre es ebenso vorteilhaft, dass ein Bericht diese erfasst. Dies hilft bei der Evaluationen, um zu sehen, welche Maßnahmen fortgesetzt, neu gebraucht oder evtl. verändert werden müssen.

Und jetzt greife ich dem nächsten Tagesordnungspunkt vor. Genauso eine neue Maßnahme ist das Projekt „Quartierswerkstätten Hanau" mit dem Förderprogramm „Bildung, Wirtschaft, Arbeiten im Quartier-BIWAQ". Ein Programm für städtische Arbeitsmarktförderung um arbeitslose bzw. langzeitarbeitslose Erwachsene zu qualifizieren und in Beschäftigung zu integrieren. Aber dies ist nur ein Punkt. Zur umfangreichen Sichtweise auf die materielle und soziale Notlage in der Stadt ist ein Blick in den alten Bericht sinnvoll.

Und meine Damen und Herren,
sie werden mir wohl nicht widersprechen wollen, dass Menschen in dieser Stadt leben, die sich in materieller und sozialer Notlage befinden. Von der vergeblichen Suche vieler nach bezahlbarem Wohnraum wollte ich erst gar nicht anfangen. Aber sind sie wirklich der Meinung, dass Umwelt- oder Klimaauflagen die Meiten so verteuern würden? Von Spekulationen beim Thema Wohnen haben sie scheinbar noch nichts gehört.

Noch ein Blick auf die, von armutsbetroffenen Kinder und Jugendliche, möchte ich richten. Es ist ein absolutes Trauerspiel und es macht einen schon wütend, wie mit der Kindergrundsicherung umgegangen worden ist. Alleine das lässt den Puls schon höherschlagen. Aber erst die Debatte darüber, dass Eltern bzw. ein Elternteil - da sehr viele arme Kinder bei Alleinerziehenden leben - das zusätzlich Geld für das Kind für z.B. Alkohol oder Zigaretten verprassen würden, macht mich fassungslos, aber nicht sprachlos. Wer sich nur halbwegs auskennt, weiß auf was Eltern bzw. Elternteile verzichten, damit sie ihren Kindern ein in Anführungszeichen „gutes“ Leben ermöglichen können. Was für ein verachtendes Menschenbild wird da eigentlich von armen Familien vermittelt?

Zurück zu den konkreten Punkten aus dem alten Bericht, die damals wie heute immer noch aktuell sind. Wie etwa Einkommen, Bildung, Arbeit, Beteiligung und Gesundheit. In diesen oder noch in weiteren Bereichen zu schauen, wo und was sind die Bedarfe, um Armut zu bekämpfen und Chancen zu eröffnen, dafür dient solch ein Bericht als Grundlage. Ein konkretes Beispiel wäre die Frage:  Ob der Hanau-Pass, in seiner derzeitigen Ausgestaltung, noch zeitgemäß ist?

Eine Fortschreibung des Berichts zur sozialen Lage in Hanau ist, ich hatte es schon erwähnt, längst überfällig und müsste sogar verstetigt werden. Dass die Koalition hier im Hause den Bericht nach der Umsetzung der Kreisfreiheit mit den Erfahrungen und Auswertungen als Sozialhilfeträger, erstellen lassen möchte, hört sich zwar schön an, obliegt aber gar nicht uns, sondern der kommenden Stadtverordnetenversammlung. Ob sich nach der nächsten Kommunalwahl, dann noch jemand daran erinnern wird, bezweifel ich?

Meine Befürchtung ist eher, dass dieser Änderungsantrag - der natürlich angenommen werden wird - eher dazu dient, sich in nächster Zeit nicht mit evtl. unangenehmen Themen befassen zu müssen. Weil es natürlich so sein kann, dass der Bericht zur sozialen Lage in unser Stadt Erkenntnisse und Ergebnisse bringen wird, die dieser Koalition nicht in ihr Bild vom Friede-Freude-Eierkuchen-Hanau passen wird. Deshalb ist der Änderungsantrag abzuehnen.