Unterstützung des Normenkontrollantrags des Main-Kinzig-Kreises gegen das Land Hessen

Jochen Dohn

Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin,
Sehr geehrte Damen und Herren,

sie haben es mitbekommen, der Main-Kinzig-Kreis hat letzte Woche Montag seine Normenkontrollklage gegen das Land Hessen eingereicht. Für Landrat, Torsten Stolz, ist es ein letzter Hilferuf, um für mehr Verteilgerechtigkeit und Verteilehrlichkeit zu sorgen. Jede Woche kämen bis zu 70 Geflüchtete neu ins Kreisgebiet, seit Jahresbeginn habe der Kreis rund 1.200 Geflüchtete neu aufgenommen, mehr als die Städte Frankfurt und Offenbach zusammen. Das hessische Sozialministerium spricht hingegen davon, dass die abweichende Aufnahmequote von Frankfurt und Offenbach den gesamten Ausländeranteil an der Wohnbevölkerung berücksichtige. Da die beiden Städte in der Vergangenheit bereits mehr Menschen aufgenommen hätten, als sie es nach ihrer errechneten Quote hätten tun müssen, sei eine „Überquote“ entstanden. Für den MKK heißt es sogar aus dem Ministerium, dass der Kreis seine zu erfüllende Quote noch gar nicht erreicht hat. Soweit zu den Fakten.

Meine Damen und Herren,
eines sollten wir jedoch nicht vergessen, es kommen keine Zahlen oder Quoten zu uns, sondern Menschen. Alleine aus der Ukraine über eine Million Flüchtlinge seit Ausbruch des Krieges. Auch der Krieg in Syrien ist nicht beendet und die Menschenrechtsverletzungen z.B. in Afghanistan und dem Iran nehmen zu. Landauf, landab appellieren seit Monaten Landkreise und Kommunen an die Bundes- und Landesregierung, sie bei der Unterbringung von geflüchteten Menschen effektiver zu unterstützen. Die Städte und Landkreise fühlen sich sowohl in der Unterbringungs- als auch in der Finanzierungsfrage zunehmend von Bund und Land allein gelassen. Bund und Länder haben sich zwar auf dem Flüchtlingsgipfel stellenweise geeinigt und die Kommunen sollen auch mehr Geld erhalten, jedoch reichen die zusätzliche finanziellen Mittel bei weitem nicht aus. Daran kann auch die Ankündigung der schwarzgrüne Landesregierung nichts ändern, diesmal die rund 75 Millionen Euro an die Kommune weiterzugeben.

Was jedoch bei der ganzen Thematik mitschwingt, ist, dass die Not der Kommunen dafür instrumentalisiert wird, um die Entrechtung von Schutzsuchenden und die Abschottung Europas massiv voranzutreiben. Eine Aushöhlung des Asylrechts führt nicht zum Ende von Kriegen und Krisen oder hält den Klimawandel auf. Weltweit nimmt die Zahl der Flüchtlinge zu, weil sie verfolgt werden oder ihnen ihre Lebensgrundlage in ihren Heimatländern entzogen wird.


Aus Zeitgründen gestrichen.

Alleine die Flüchtlinge an den Grenzen gewaltsam aufzuhalten und alle Länder einfach  zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, ist keine Lösung, isnbesondere keine humane. Sollten einige der angedachten Maßnahmen durchgeführt werden, wie etwa ein Grenzverfahren mit monatelange Inhaftierung an den EU-Außengrenzen oder die geplante Ausweitung der sogenannten sicheren Herkunftsländern bzw. sicheren Drittstaaten, wird es dazu führen, dass das Asylrecht noch weiter ausgehöhlt wird. Nicht nur, dass der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte schon jetzt den derzeitigen haftähnlichen Umgang mit den Menschen in den Lagern an den EU-Außengrenzen verurteilt, so sind schon heute illegale Pushbacks, die nicht selten zum Tod führen, hohe Mauern und Zäune mit Stacheldraht sowie Kriminalisierung der Flüchtlingshilfe Alltag in der EU. Was ist mit der Bekämpfung von Fluchtursachen? Weiterhin werden Waffen weltweit in Krisen- und Kriegsgebiete exportiert.

Meine Damen und Herren,
was in meinen Augen widersinnig ist, dass ständig von Fachkräftemangel gesprochen wird und massiv für ausländische gut ausgebildete Fachkräfte in den Ländern geworben und von einer „Willkommenskultur“ schwadroniert wird. Gleichzeitig aber Gelder für Abschiebung bzw. Ausreise sowie in Abschottung ausgeben werden, die für Integrations- und Sprachkurse sowie für Qualifizierung und Ausbildung besser angelegt wären. Oder wie das heutige Beispiel explizit die Lage zeigt. So wurde ein Jugendlicher in der Ausländerbehörde Kassel festgenommen und wartet nun auf seine Abschiebung. Aber eigentlich wollte er nur an dem Termin seine Duldung verlängern, weil er seit 2 Jahren eine Ausbildung als Bäcker hat.
Dies ist die derzeitige deutsche „Willkommenskultur“.


Meine Damen und Herren,
um es klar zu sagen, meine Fraktion teilt, die Forderungen im Antrag, insbesondere dass die Kommunen eine angemessene und auskömmliche Finanzierung erhalten müssen, um ihrer gesetzlich zugewiesenen Aufgabe der Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten gerecht zu werden. Dazu zählen Integrations- und Sprachkurse. Aber genauso gehören Themen dazu, die auch für Einheimische ebenso wichtig sind. Erwähnt seien bezahlbare Wohnungen, funktionierender Nahverkehr, ausreichend Plätze in Schulen und Kitas und eine gute Gesundheitsversorgung. Gerade die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist mit der Frage der Unterbringung eng verwoben. Anerkannte Flüchtlinge, die aus den Gemeinschaftsunterkünften ausziehen könnten und auch ausziehen sollten, müssen dort oft mehrere Jahre bleiben, weil sie auf dem Wohnungsmarkt keine Chancen haben. Dies führt wiederum dazu, dass für neu Ankommende kein Platz da ist und neue Unterbringungskapazitäten geschaffen werden müssen.


Aus Zeitgründen gestrichen.

Aber, um generell Menschen vor Obdachlosigkeit zu schützen, wäre es vielleicht denkbar, das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) dahingehend zu ändern, dass ungenutzte Gebäude und Grundstücke durch die Kommune sichergestellt werden können. Und Hanau stößt dort an Grenzen, DIE FRAKTION hatte dazu eine Anfrage gestellt.


Jedoch brauchen nicht nur die Kommunen Hilfe, sondern auch die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe und zwar Hilfe von den Kommunen. Denn eine erfolgreiche Integration benötigt auch ehrenamtliche Hilfe, die jedoch nicht unendlich ist und weiter nachlässt, weil viele aus Frustration aufgegeben haben.

Zudem ist es absolut notwendig die Einheimischen mitzunehmen, um Akzeptanz für Flüchtlinge in der Gesellschaft herzustellen. Deswegen darf es eben nicht dazu führen, dass Kommunen aus finanziellen Gründen ihre Schwimmbäder schließen und gleichzeitig Container für Flüchtlinge anmieten müssen. Dies führt zu Stimmungen, die von Rechtsextremen und Rassisten aufgegriffen werden und dann nicht nur zu Hass und Beleidigungen, sondern auch zu Gewalttaten führt.

Und das wollen wir doch alle nicht!