Doppelhaushalt 2024/2025

Jochen Dohn

Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin,
Sehr geehrte Damen und Herren,

der uns heute zur Verabschiedung vorliegende Doppelhaushalt ist der letzte vor der Kreisfreiheit, was schon in den Vorreden erwähnt wurde. Herr Oberbürgermeister Kaminsky hat bei der Einbringung von einem stocksoliden und zukunftsfesten Haushalt gesprochen. Dies mag sicherlich aus der Sicht der Koalition stimmen. Denn wer nur die Rücklagen im Blick hat und sich auf eine Verstetigung versteift, der übersieht gerne, dass es noch weitere Aufgaben und Probleme gibt. Aber eine Stadt ist keine Bank, sondern hat die Aufgaben der Daseinsvorsorge und auch Aufgaben für den Zusammenhalt einer Stadtgesellschaft zu leisten. Und da ist aus einem anderen Blickwinkel die Frage zu stellen: „Ob das Zahlenwerk wirklich zukunftsfest ist?

Ich gebe dem Oberbürgermeister recht, wenn er sagt, dass Hanau im interkommunalen Wettbewerb gut aufgestellt ist. Denn Investitionen, wie etwa durch die Rechenzentren, ist ein Glücksfall, wirft aber auch weitere Fragen nach mehr regenerativer Energiegewinnung oder der Nutzung der Abwärme auf. Gleichzeitig zeigt sich auch, dass durch das Bevölkerungswachstum, weitere Aufgaben auf die öffentliche Infrastruktur zu kommen und da seien nur die neu zu bauenden Kitas und Schulen genannt.

Zudem zeigt sich am Beispiel des Kaufs des Kaufhofgebäudes, dass die Definition der öffentlichen Daseinsvorsorge, durch eine lebendige Innenstadt, erweitert wurde. Aber gleichzeitig ist für die Innenstadt immer zu prüfen, was weiterhin für die Entwicklung zwar wünschenswert ist, vielleicht aber aus finanziellen Gründen nicht notwendig. Nicht zu vergessen, dass auch in den Stadtteilen eine Weiterentwicklung auf der Agenda stehen muss. Auch wenn diese sehr unterschiedlich ausfallen wird.

Um es deutlich und salopp zu sagen, natürlich muss Geld eingenommen werden, um auch Geld ausgeben zu können. Aber - nur allein auf sich gestellt wird eine Kommune all die Aufgaben nicht stemmen können. Auch Hanau nicht.

Am Beispiel unseres Klinikums zeigt sich dies, dass ohne die ausreichende finanzielle Mittel von Land und Bund für den Betrieb und Investitionen, ein Klinikum der Maximalversorgung allein durch städtische Mittel nicht finanzierbar ist. Es ist gut, dass über alle Fraktionen hinweg hier Einigkeit über die Unterstützung für das Klinikum besteht.

Ebenso Einigkeit, dass auch die Beteiligungsholding einen Zuschuss aus dem städtischen Haushalt benötigt, um Defizite der Töchtergesellschaften auszugleichen. Aber auch hier zeigt sich am Beispiel der HSB, dass, wer eine erfolgreiche Verkehrswende möchte, auch die notwendigen Gelder bereitstellen muss. Sprich für neue Busse mit regenerativem Antrieb, Ausbau des Angebots sowie vergünstigte Fahrpreise, visionär vielleicht einmal das 0-Euro-Ticket, muss es Gelder von Bund und Land geben, ohne diese wird es nicht funktionieren.

Meine Damen und Herren,
ich erwähnen es nur am Rande, dass natürlich auch die Eigenbetriebe für die Investitionen finanzielle Mittel benötigen. Da Herr Oberbürgermeister Kaminsky in der Haupt- und Finanzausschusssitzung schon festgestellt hat, dass er mit seiner Pädagogik bei mir in Sachen Großkundenrabatt gescheitert ist, ist auch klar, dass der Großkundenrabatt bei IBM auch weiterhin Bestand haben wird.

Ich möchte deshalb einen Blick auf die sogenannten harten, wie auch weiche Standortfaktoren richten. Wie sieht es denn mit bezahlbarem Wohnraum in unserer Stadt aus? Sich auf den Standpunkt zurückzuziehen, Hanau solle für Transferleistungsbezieher nicht interessant sein, ist gerade in der derzeitigen aufgehetzten Zeit, das falsche Signal. Wir brauchen Sozialwohnung, nicht nur für die vielen, die für solch eine Wohnung eine Berechtigung haben, sondern auch, um den Druck auf immer weiter steigende Mieten etwas entgegenzusetzen.

In diesem Zusammenhang möchte ich das Konzept von „Housing First“ erwähnen, als wirksamer Ansatz, um Obdachlosigkeit zu vermeiden. Leider wurde aber in den vergangenen Jahren, die Zeit der Niedrigzinsphase nicht genutzt, um von städtischer Seite, sprich durch die Baugesellschaft, in den Neubau zu investieren. Unsere geforderten Investitionen wurden jedenfalls abgelehnt und ich bleibe gespannt, ob von städtischer Seite zukünftig Förderprogramme und die Fehlbelegungsabgabe genutzt werden, um neue und bezahlbaren Mietwohnraum zu schaffen.

Ebenfalls auf Ablehnung stieß der Vorschlag Besitzer:innen von baureifen Grundstücken durch eine Grundsteuer C zum Bau zu animieren. Nebenbei wäre diese Steuer ein Mittel der Bodenspekulation entgegenzuwirken. Zudem hatte ich im Ausschuss schon die Ausnahmen erwähnt, sodass eben nicht die kleine Frau davon betroffen wäre.

Meine Damen und Herren von der Koalition,
etwas verwundert hat mich Ansatz zur Inflationshöhe und der Lohnerhöhung. Da zitiere ich einmal verdi nachdem letzten Tarifabschluss: „Positiv sei jedoch, dass der Abschluss ab März 2024 eine tabellenwirksame Erhöhung von bis zu 16,9 Prozent bedeuten würde - die allermeisten Beschäftigten würden damit eine Erhöhung von über 11 Prozent erhalten.“ Schaun wir mal.

Aber neben den Tariflöhnen gibt es auch Honorarlöhne, wie etwa für die Honorarkräfte bei der vhs. Auch diese benötigen eine Aufstockung ihres Stundesatzes. Denn „Volksbildung“ gehört auch zur städtischen Daseinsvorsorge und geht über das Nachholen eines Schulabschlusses oder erlernen einer Sprache weit hinaus. Laut Bürgermeister Dr. Bieri ist eine Honorarerhöhung zwar vorgesehen, jedoch müssten dadurch auch die Kursgebühren steigen. D.h. für meine Fraktion, wenn sich die Gebühren in dem Maße Prozentual erhöhen werden, wie dies etwa bei den Eintrittspreisen für die Schwimmbäder passiert ist, dann können sie sicher sein, dass wir das nicht mittragen werden.

Meine Damen und Herren,
die Stadtverwaltung macht sich auf den Weg viele Arbeitsabläufe zu digitalisieren und sie in vielen Bereichen für Nutzer:innen zu vereinfachen, wenn diese städtische Leistungen benötigen. Sicherlich wird der Einsatz von KI noch weitere Veränderung mit sich bringen. Wir sollten aber nicht diejenigen vergessen, die sich aus verschiedenen Gründen nicht alles über die digitale Welt abwickeln können und es gibt weiterhin städtische Bereiche, die ohne Personal nicht auskommen werden. Und dies betrifft gerade den sozialen Bereich. Insbesondere, wenn der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz schrittweise umgesetzt werden muss, wird es an Fachkräften fehlen. Und zu hoffen, dies durch aus dem Ausland geholte Fachkräfte sowie über ehrenamtliche Arbeit bzw. Vereinsangebote abdecken zu können, wird an Grenzen stoßen.

Dabei ist das Engagement von Ehrenamtlichen in unserer Stadt nicht hochgenug einzuschätzen. Hierzu zählen auch die Mitglieder des Seniorenbeirates. Deren Arbeit ist von allen Seiten anerkannt. Der Umstand, dass weitere Aktivitäten geplant sind, hätte sicherlich eine Erhöhung des Budgets auf 8.000 Euro jährlich verdient gehabt. Leider ist unser Ansinnen gescheitert.

Genauso gescheitert ist die „große Summe“ von 2.500,- in 2024 und 2025 aus dem Kulturetat als Anschub für das Theaterstück „And now Hanau“. Damit Schul- und Amateurtheater animiert werden, dieses freizugängliche Stück als lebendige Gegenwartsgeschichte, als ein Zeichen gegen Rechtsextremismus umzusetzen. Die beantragten Gelder hätten für das Bühnenbild genauso genutzt werden können, wie für eine pädagogische Begleitung. Dieses Projekt hätte hervorragend in das Portfolio des Hauses für Demokratie und Vielfalt gepasst. Denn wer die Aufführung in diesem Raum mitverfolgt hat, der bzw. demjenigen sollte bewusst sein, dass es sich hier um ein Stück Zeitgeschichte dieser Stadt handelt. Ein Theaterstück, dass sich mit den Handlungen rund um das rassistische Attentat am 19.02.2020 auseinandersetzt. Das sich mit dem Leid und mit dem Umgang der Hinterbliebenen auseinandersetzt. Und sich auch auf Fakten beruft, die im Untersuchungsausschuss Hanau vorgetragen wurden. Ein Stück also, welches die ungeklärten Fragen wieder aufwirft und nach den Lehren daraus fragt. Die Demonstration am 17.02. von fast 8 Tsd. Menschen hat jedenfalls eindrücklich gezeigt, dass es noch weiterer Aufklärung bedarf und der Wunsch nach Gedenken und eines Mahnmals auf dem Marktplatz weiterhin vorhanden ist.

Aber zurück zu unserem Antrag. Die vorgetragene Lösung, wenn sich jemand für eine Aufführung interessiert, kann doch Gelder beim Projekt Demokratie leben beantragen, ist aus meiner Sicht wahrlich zu kurz gedacht. Bei diesem Punkt hätte ich mir mehr Einigkeit gewünscht, gerade als Zeichen gegen Rechtsextremismus wie wir es mit der Demonstration auf dem Marktplatz und mit der heutigen Resolution getan haben.

Meine Damen und Herren,
was nach meiner Meinung auch zu kurz gedacht ist, ist wenn Herr Oberbürgermeister Kaminsky und Bürgermeister Dr. Bieri einen Alarmbrief an die Bundes- und Landesregierung schreiben, um die fehlenden Plätze in der Inobhutnahme zu kritisieren und Abhilfe fordern. Verstehen sie mich nicht falsch, auch ich bin dabei, wenn auf soziale Schieflagen und die Verantwortung Bundes- und Landesregierung hingewiesen wird. Zumal es sich bei den fehlenden Plätzen und dem Fachpersonal in der Inobhutnahme um ein bundeweites Problem handelt.

Da es sich aber um Menschen und nicht um Munition handelt, ist die Lösung nicht so einfach. Denn die Probleme dieser Kinder und Jugendlichen und deren Familien werden größer und nicht selten funktioniert eine Ambulantehilfe eben nicht mehr und bei den Freien Träger stehen eben keine Plätze mehr zur Verfügung. Dazu unser Antrag. Wir werden sehen, wie es in Zukunft weitergeht.

Apropos Zukunft. Sind sie von der Koalition sicher, dass Hanau 2040 wirklich klimaneutral sein wird? Und da kommen mir Zweifel meine Damen und Herren der Koalition.

Denn die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, wären ein Indikator, um zu wissen, wo steht Hanau und wo muss evtl. steuernd eingegriffen werden. Und da geht es nicht nur um die Umwelt, sondern die Nachhaltigkeit betrifft die soziale Ungleichheit, die Gesundheit, die Bildung, die Industrie und Gewerbe etc. Wenn also die Nachhaltigkeit als Ziel ausgeben wird, dann kommt niemand an den SDGs vorbei. Deswegen war es unser Anliegen, dass sich auch zukünftige Haushalte dem annimmt. Dies betrifft im Übrigen auch die Nachhaltigkeitsberichte der Gesellschaften, die erstellt werden müssen.

Andere Kommunen sind auf dem Weg schon viel weiter. Das ist sehr schade, Aber es liegt auch daran, und da komme ich wieder zum Anfang meiner Rede zurück, wer nur die Verstetigung der Rücklagen im Blick hat, ist für die Zukunft nicht gewappnet. Deshalb ist der Doppelhaushalt 2024/2025 abzulehnen.