Wettbewerblicher Dialog und Einzelhandel

Im Sommer 2008 hatten die Verantwortlichen der Stadt Hanau die Idee, die Gestaltung des Freiheitsplatzes nur noch von einem Investor durchführen zu lassen. Intensive Diskussionen, die die Hanauerinnen und Hanauer jahrelang über ihren Freiheitsplatz führten, waren Makulatur geworden. Ihre Ideen und Gestaltungspläne werteten die städtischen Verantwortlichen als „jahrelangen Stillstand“. Ein Investor musste her, der den sogenannten „Stillstand“ durch den Bau eines Einkaufszentrums durchbrechen sollte. Auf der städtischen Wunsch- bzw. Umbauliste fanden sich außer dem Freiheitsplatz noch ein Brüder-Grimm-Kulturzentrum, ein Hotel, ein Großkino, eine neue Bibliothek, der Abriss der Häuser in der Französischen Allee, die Umgestaltung des Marktplatzes und des Platzes vor der wallonisch-niederländischen Kirche. Die komplette Wunschliste mündete in einem Ausschreibeverfahren namens „Wettbewerblicher Dialog“.


Millionen Steuergelder für Wunschkonzert der Koalition

Neben der Koalition aus SPD-FDP-Grüne-BfH unterstützt auch die CDU dieses Verfahren. 2,5 – 3 Mio. Euro Steuergelder kosteten bisher Anwälte, Berater sowie Werbung und Jubelveranstaltungen. Entgegen den ursprünglichen Aussagen wurden die Kriterien innerhalb des Verfahrens immer wieder geändert.

Sieben Investoren beteiligten sich mit ihren Angeboten an diesem Wettbewerb. Den Hanauerinnen und Hanauern wurde suggeriert, sie könnten sich an der Entscheidung beteiligen. Das war jedoch nie der Fall. Eigene Ideen konnten sie zu keiner Zeit einbringen. Lediglich einige Ausgewählte durften ihre Meinung über die Investorenvorschläge in dem dafür gegründeten Beirat äußern. Der Wettbewerbliche Dialog wurde als „alternativlos“ bezeichnet, und die Mehrheit der Stadtverordneten hat nachträglich die Entscheidung eines kleinen Kreises von Verantwortlichen abgesegnet.

Den Zuschlag erhielt die Hanseatische Betreuungs- und Beteiligungsgesellschaft (HBB). Derselbe Investor hat schon das Postcarré gebaut, welches er nach nur wenigen Monaten an den französischen Immobilienfond Ciloger wieder weiterveräußerte. Für HBB sind diese Einkaufscenter Spekulationsobjekte zur Gewinnmaximierung. Ein Interesse an der Hanauer Stadtgestaltung besteht nicht. Nun besteht die Gefahr, dass die künftigen Einkaufszentren auf dem Freiheitsplatz ebenfalls zu Spekulationsobjekten werden. Nun hat HBB das ehemalige Karstadt-Gebäude und das ehemalige Sporthaus Barthel erworben. Zurzeit sind zwei Einkaufscenter auf dem Freiheitsplatz geplant. Mindestens die Hälfte des Freiheitsplatzes wird dann bebaut werden, wobei eine Verkaufsfläche von ca. 25.000 qm, eine Tiefgarage für 500 Stellplätze sowie eine Bibliothek im 2. Stock eines Einkaufscenters entstehen sollen.


Noch mindestens 50 Mio. Euro für schlechteres Klima, Mietervertreibung und Folgekosten ohne Ende

Wenn die Pläne umgesetzt werden, bedeutet das, dass die Be- und Entlüftungssituation der Hanauer Innenstadt negativ beeinflusst wird. Auch werden ca. 90 Bäume auf dem Freiheitsplatz gefällt. Dies wird zu einer weiteren Verschlechterung des Innenstadtklimas führen - obwohl bereits im Klimagutachten des Deutschen Wetterdienstes von 1992 eine Überwärmung der Innenstadt festgestellt wurde. Keine Ersatzbepflanzung an anderer Stelle kann diese Klimaverschlechterung kompensieren.

Die Entscheidungen, die hier getroffen wurden, sind weitreichend. Denn die veräußerte Freiheitsplatzhälfte kann erst in 50 Jahren einmalig wieder von den Hanauerinnen und Hanauern zurückgekauft werden. Für die Bibliothek besteht ein Mietvertrag für die nächsten 30 Jahre. Um Straßen, Wege und Plätze zu gestalten, muss die Stadt ebenso bezahlen. Der Marktplatz wird in städtischer Regie umgebaut. Das Großkino entsteht auf dem ehemaligen Feuerwehrgelände und wird mit einem zusätzlichen Parkhaus ergänzt. Das Brüder-Grimm-Kultur-Zentrum könnte die Stadt für mindestens 16 Mio. Euro selber bauen, das dazugehörige Hotel müsste dann HBB wiederum erstellen. In der Französischen Allee sollen das Westcarré abgerissen und die Mieter „vertrieben“ werden, damit sich dort Besserverdienende ansiedeln können.

Die anderen Fraktionen planen zwischen 50 – 55 Mio. Euro für den Wettbewerblichen Dialog auszugeben. Hinzu kommen jährliche Folgekosten von 3 – 4,5 Mio. Euro. Demgegenüber erhoffen sich die Verantwortlichen der Stadt Hanau einmalige Zuschüsse und Geldeingänge von 20 – 25 Mio. Euro.

Verglichen mit den hohen städtischen Investitionen könnte die Stadt Hanau mit einer kleineren Summe die Bibliothek am jetzigen Standort ausbauen. Zusammen mit dem gesamten Fronhofes und dem Haus des Handwerkes könnten dort die Wetterauische Gesellschaft, das Stadtarchiv, das Medienzentrum, der Hanauer Geschichtsverein sowie ein Zweigstelle der Volkshochschule miteinbezogen werden.


DIE LINKE. Hanau fordert:

  • Aus den Fehlern des Wettbewerblichen Dialoges zu lernen.

  • Die Interessen aller Hanauerinnen und Hanauer vor die Interessen von Investoren zu stellen.

  • Die jetzigen Pläne für zwei Einkaufscenter auf dem Freiheitsplatz zu verwerfen.

  • Einkaufsmöglichkeiten mit Tiefgarage auf dem brachliegenden Gelände des ehemaligen Karstadts und Sport Barthels zu schaffen.

  • Eine Klimafunktionskarte nach VDI Richtlinie zu erstellen.

  • Den Freiheitsplatz im Sinne des Klimagutachtens umzugestalten, mit mehr Grün, zum Verweilen und Spielraum für Kinder.

  • Die Bäume des Freiheitsplatzes zu erhalten.

  • Den Freiheitsplatz weiterhin als zentraler Busbahnhof eingebunden in einem modernen Verkehrsleitsystem zu betreiben.

  • Die Umgestaltung des Marktplatzes wegen fehlender finanzieller Mittel langsam anzugehen. Dabei ist es wichtig, dass der Marktplatz einen belebenden Charakter erhält und nicht zugebaut wird. Dies kann z. B. durch gastronomische Angebote unterstützt werden.

  • Das Historische Rathaus nicht zu veräußern. Das Rathaus muss weiterhin öffentlicher Raum und damit auch Sitzungsort der Stadtverordnetenversammlung bleiben.

  • Die Bibliothek nicht in einem Einkaufscenter zu integrieren, sondern am Schlossplatz zu belassen, auszubauen und zu modernisieren.

  • Das Westcarré an der Französischen Allee zu sanieren statt abzureißen. Keine Zwangsumzüge der dortigen Mieter.


Braucht Hanau Konsumtempel?

Hanau soll als Einkaufsstandort attraktiver werden. Dies will die Koalition aus SPD-FDP-Grüne-BfH mit gigantischen Konsumtempeln erreichen. Mit solchen Megaprojekten signalisiert sie den Investoren, dass diese an keine städtischen Auflagen gebunden sind.

Neben dem Wettbewerblichen Dialog mit zwei Einkaufszentren auf dem Freiheitsplatz ist an erster Stelle das Einkaufscenter auf dem Gleisbauhof am Stadtrand zu nennen. Durch das City Center und das Postcarré würden zusätzliche Einkaufszentren zu einem Überangebot führen. Dies nutzt weder den Konsumenten, die schließlich jeden Euro nur einmal ausgeben können, noch dem Einzelhandel. Bereits heute kann Ladenleerstand und Verfall festgestellt werden, obwohl mit verschiedenen Maßnahmen dagegen vorgegangen wird. Die Auswirkungen auf die Innenstadt durch den stärkeren Verdrängungswettbewerb werden drastisch zunehmen. Hinzu kommen überhöhte Ladenmieten. Kleinere Läden werden weiter sterben, der Ladenleerstand wird zunehmen und die Vielfalt durch Filialketten zerstört. Sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse werden durch prekäre verdrängt.


DIE LINKE. Hanau fordert:

  • In Sachen Einzelhandel umzudenken. Die Politik muss lenken und die Einkaufsvielfalt und die Nahversorgung in der Innenstadt und in den Stadtteilen erhalten. Deswegen muss die „Hanauer-Liste“ beibehalten werden. Diese Liste definiert innenstadtrelevante Sortimente.

  • Den verkaufsoffenen Sonntag nicht weiter auszuweiten.

  • Einkaufen mit öffentlichem Nahverkehr durch gezielte Aktionen fördern.

  • Das ehemalige Möbel-Erbe-Gelände als Einzelhandelsfläche zu entwickeln und das angebotene Sortiment auf seine Auswirkung auf die Innenstadt zu überprüfen. Jedoch darf dies nicht dazu führen, durch einen Investor erpressbar zu sein.