Kohlekraftwerke mit CO2-Abscheidung: gefährliche Technik gegen den Klimaschutz

Fraktion DIE LINKE. im Hessischen Landtag

Mit der Abscheidung und Lagerung von hunderten Millionen Tonnen des Klimakillers Kohlendioxid (CO2) bei der Kohleverstromung wollen die Energiekonzerne Kohlekraftwerke wieder gesellschaftsfähig machen. Das Kohlendioxid (carbon dioxide) soll nach dem Verbrennen der Kohle eingefangen (capture), über eine Pipeline abtransportiert und unterirdisch dauerhaft gelagert (storage) werden. Die Behauptung: CCS macht Kohlekraftwerke klimaneutral. Das Technologie-Versprechen ist gleichzeitig Türöffner zum Bau neuer zentraler Großkraftwerke, um der Kohlewirtschaft und den großen Energieversorgern Gewinne zu sichern. Auch in Hessen läuft, unterstützt mit EU-Mittel, am E.ON Kohlekraftwerk Staudinger bei Großkrotzenburg bis Ende 2010 ein Pilotprojekt zur Abscheidung von CO2.

DIE LINKE. Fraktion im Hessischen Landtag hält die CO2 -Abscheidung für unökologisch und zu teuer, die Lagerung von CO2 für gefährlich und unverantwortlich. CO2-freie Kohlekraftwerke kann es nicht geben. Wir lehnen die Kohleverstromung – mit oder ohne CCS-Technologie – als Bestandteil der zukünftigen Energieversorgung ab.

Die Lagerung von CO2 ist gefährlich
Die Abscheidung und unterirdische Verpressung von Kohlendioxid aus fossilen Kraftwerken (CCS) ist eine gefährliche Sackgasse. Mit CCS entsteht ein neues Endlager-Problem. Die Langzeitrisiken der unterirdischen Verpressung so enormer Mengen CO2 lassen sich kaum erforschen, die Sicherheit nicht garantieren. Das hat gerade das Asse-Desaster gezeigt. Der zentrale Unterschied ist: Die Lager für hochradiaktiven Abfall müssen für ca. 1 Millionen Jahre ‚sicher’ sein, die für CO2 für immer.

Luft mit Konzentrationen von sieben bis acht Volumenprozent CO2 führt nach 30 bis 60 Minuten zum Tode durch Ersticken. Kohlendioxyd ist schwerer als Luft. Bei einem Leck in der Lagerstätte oder Pipeline, welche Kraftwerke mit den Lagerstätten verbinden, würde es sich in Bodennähe anreichern und dabei alles auf Sauerstoff angewiesene Leben auslöschen. Die Gefahren solcher Austritte sind von natürlichen vulkanischen CO2-Ausgasungen bekannt. Am Kratersee Lake Nyos (Kamerun) starben dabei 1986 mehr als 1700 Menschen.

In Deutschland kämen für die CO2-Lagerung v.a. leere Öl- und Gasfelder in Frage. Die Erkundungs- und Förderbohrlöscher müssten mit speziellem Zement versiegelt werden. In Verbindung mit Wasser wird CO2 jedoch hoch reaktiv und greift Metalle und Zemente an. Für viele Fachleute ist die Frage daher nicht, ob eine Leckage auftreten kann, sondern wann sie auftreten wird. Bei Probeverpressungen in Texas hat das Kohlendioxid den ph-Wert des Tiefenwassers so stark verändert, dass das darüber liegende Gestein Risse bekam.

CCS bremst den Umstieg auf Erneuerbare Energien

Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken, CO2-Abscheidung und Verpressung (CCS) und neue Kohlekraftwerke sind nicht nur gefährlich. Sie sind inkompatibel mit einer auf Erneuerbaren Energien und stärker dezentral ausgerichteten Energieversorgung. Die Nutzung der Geothermie und die dringend benötigte Speicherung von Energie aus Windkraftanlagen durch unterirdische Druckluftspeicher sind mit der Lagerung von CO2 unter der Erde unvereinbar.

Die naturgemäß schwankende Stromeinspeisung aus Erneuerbaren Energiequellen braucht für die Übergangszeit als Ausgleich flexible konventionelle Kraftwerke, deren Leistung schnell reguliert werden kann. Technisch und ökonomisch kommen dafür allenfalls Gaskraftwerke in Frage, aber niemals Grundlastkraftwerke wie Kohle- und Atommeiler. Die teure CCS-Technologie würde das überkommene Energiesystem nicht nur verfestigen, sie wäre mit jedem neuen Kohlekraftwerk, in dem sie eingesetzt wird, ökonomisch eine Fehlinvestition. Die vorgeschlagene Verpressung von Kohlendioxid blockiert zukunftsfähige Arbeitsplätze.

Die Technik kommt für den Klimaschutz zu spät
Die CCS-Technologie ist frühestens ab 2020 für einen großtechnischen Einsatz verfügbar. Der Kohlekraftwerkspark in Deutschland soll bis dahin aber bereits zu einem Drittel durch Erneuerbare ersetzt sein. Für die Einhaltung der Klimaschutz¬ziele – 40% CO2-Reduktion bis 2020 (Basisjahr 1990), wenn die EU das 30%-Ziel festschreibt – kommt CCS zu spät.

In Deutschland gibt es zu wenig Lagerstätten
Zur CO2-Lagerung kommen in Deutschland vorzugsweise erschöpfte Erdöl- und Erdgaslagerstätten in Frage. Diese könnten bestenfalls rund 2 Mrd. Tonnen CO2 aufnehmen. Rechnet man die gefährliche Speicherung in tiefliegenden salzhaltigen Wasserleitern hinzu, liegt die Speicherkapazität zwischen 8 und 13 Mrd. Tonnen.

Die CO2-Emissionen in Deutschland belaufen sich derzeit auf ca. 850 Millionen Tonnen pro Jahr. Davon werden rund 40 % in Kohlekraftwerken produziert. Das bedeutet, dass pro Jahr maximal 300-350 Millionen Tonnen CO2 entsorgt werden müssten. Rein rechnerisch wären die Speicherkapazitäten der Erdöl- und Erdgaslagerstätten nach einer Kohlekraftwerksgeneration erschöpft. Für eine längerfristige Nutzung der Lager, auch für andere CO2-Quellen wie z.B. Verkehr, fehlen die Lagerstätten.

Um die gefährlichen ökologischen Kipppunkte bei einer Temperaturerhöhung von mehr als 2°C zu vermeiden, kann es darüber hinaus zukünftig nötig werden, der Atmosphäre CO2 zu entziehen. Solche „negativen Emissionen“ können durch die Kombination von Energieerzeugung aus Biomasse mit CCS erreicht werden. Hierfür müssen Speicher freigehalten werden.

Risiko und Kosten werden sozialisiert

Der Zugang zu der begrenzten Ressource Speicherkapazität wird kostenfrei gewährt. Der CCS-Gesetzesentwurf der Bundesregierung lässt die Haftung der Betreiber für Schäden und Risiken dagegen nach 30 Jahren auf die betroffenen Bundesländer, insbesondere im Norden und Osten Deutschlands, übergehen. Auch die Langzeitkosten für die Überwachung und Sicherung der CO2-Speicher müssen von der Allgemeinheit getragen werden.

CCS hält die Strompreise hoch

Sollten die technischen Eckdaten der geplanten CCS-Technologien in Kraftwerken erreicht werden, so würden die Stromkosten von Steinkohlestrom mit CCS im Jahr 2020 schätzungsweise bei 7,0 – 7,8 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) liegen. Strom aus Erdgas läge bei 6,1 – 7,0 ct/kWh. Der hohe Aufwand für Abscheidung, Verdichtung, Transport und Verpressung des Klimakillers treibt die Stromkosten aus Kohlekraftwerken auf das Niveau der Kosten regenerativer Energien. Es stellt sich die Frage, warum wir nicht gleich auf die weniger gefährlichen Erneuerbaren Energien setzen?

Mit CCS wird insgesamt mehr CO2 produziert
Kohlekraftwerke mit CCS-Technologie haben einen um 10 bis 15 Prozent niedrigeren Wirkungsgrad, was je erzeugter Kilowattstunde den Kohleeinsatz um ca. ein Drittel erhöht - mit allen verheerenden Folgen für die Umwelt. Das eigentliche Ziel, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, wird also durch den zusätzlichen Kohle-Einsatz zunächst konterkariert. Ob dann die erhöhte CO2-Menge durch CCS auf Dauer im Untergrund gelagert werden kann, ist ungewiss.

CO2-Lagerung gefährdet Grundwasser und Meeresleben

Die Verpressung von CO2 in tiefe Gesteinsformationen kann zur Versauerung von Grundwasser führen. Darüber hinaus birgt die Verdrängung von salzhaltigen Wässern durch CO2 aus tiefen Gesteinsschichten die Gefahr der Versalzung und Lösung von Giftstoffen in unserem Trinkwasser. Die Verklappung von CO2 in tiefe Meeresschichten würde auch dort zu einer Versauerung und Zerstörung vieler Lebensformen führen. Letztendlich stehen die Meere als Ernährungsgrundlage auf dem Spiel.